90 Jahre Bienenkunde in Münster
Vor 90 Jahren, am 1. April 1925, wurde auf Bestreben des „Westphälischen Hauptvereins für Bienenzucht“ die Versuchs- und Lehranstalt für Bienenkunde an der Landwirtschaftskammer für die Provinz Westphalen gegründet.
Flyer pdf hier ...
90 Jahre Bienenkunde in Münster
Die Wurzeln: 1849 Geburtsstunde des westfälischen Landesverbands
Als um 1848 der Pfarrer Dr. Johannes Dzierzon aus Karlsmarkt bei Brieg in der Nähe von Breslau den Bienenstock durch die bewegliche Wabe mobil machte, und als durch die Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 die Vereins- und Pressefreiheit in Deutschland eingeführt wurde, rief der Rentmeister Franz Erdmann der Papenschen Salinen in Westernkotten bei Lippstadt im Jahre 1849 eine Versammlung von Bienenzüchtern ein, an der spontan 5o Imker teilnahmen. Man gründete einen Bienenzuchtverein, der sich auf Anregung des Lehrers Dietrich Feldhege aus Benninghausen (später Arnsberg) auch noch der Seidenraupenzucht annehmen sollte, den „Westfälischen Verein zur Förderung der Bienenzucht und des Seidenbaus“.
Bereits nach einem Jahr wurde wegen einiger Filialvereine in der Rheinprovinz daraus der „Westfälisch Rheinische Verein für Bienenzucht und Seidenbau“, der nach dem ersten Jahr schon 500 Mitglieder zählte. Bis 1886 blieben die westfälischen und die rheinischen Imker vereint; dann gliederte man den Verein wegen der weiträumigen Ausdehnung in zwei Hauptvereine, deren Vorstandsmitglieder aber jeweils an den Generalversammlungen beider Vereine mit vollem Stimmrecht teilnehmen konnten.
Die Leitung des „Westfälischen Hauptvereins für Bienenzucht“ (die Seidenraupenzucht war wegen Seuchenerregern schon nach wenigen Jahren zum Erliegen gekommen) übernahm der Landrat Freiherr von Vincke aus Hamm (bis 1894). Ein erster Plan um 1890 zur Einrichtung einer „Imkerschule“ in Dortmund (anlehnend an die bestehende Landwirtschaftliche Winterschule) ließ sich wohl wegen großer finanzieller Schwierigkeiten nicht umsetzen. Erst
im Jahre 1901 wurden vom Preußischen Landwirtschaftsministerium Mittel bereit gestellt, die auf Anraten der 1899 gegründeten „Landwirtschaftskammer für die Provinz Westfalen“ zum Aufbau eines großen Lehrbienenstandes in Soest (an der Landwirtschaftlichen Winterschule) und für die Anstellung eines Wanderlehrers für Bienenzucht verwendet werden. Die Anstellung des Wanderlehrers Oseberg erfolgte am 1. Juni 1902.
Vom Lehrbienenstand zum Bieneninstitut
Nach dem 1.Weltkrieg nahm im Jahre 1920 ein „Ausschuss für Bienenkunde“, der vom preußischen Ministerium für Landwirtschaft berufen wurde, seine Beratungsaufgabe auf, was dazu führte, dass die „Landwirtschaftskammer für die Provinz Westfalen“ zusammen mit dem „Westfälischen Hauptverein für Bienenzucht“ auf dem Gelände der „Landwirtschaftlichen Versuchsstation der Landwirtschaftskammer“ in Münster an der Südstraße 76 ein geräumiges Bienenhaus baute, und der „Lehrbienenstand“ aus Wiescherhöfen bei Hamm vertraglich der 1922 neu gegründeten „Anstalt für Pflanzenschutz der Landwirtschaftskammer“ eingegliedert wurde. Der Leiter der zoologischen Abteilung, Privatdozent Dr. Albert Koch, wurde für den Lehrbienenstand zuständig. Mit der Wahl von Koch zum Geschäftsführer des Hauptvereins im Jahre 1923 wurde die Zusammenarbeit zwischen Imkern, Lehrbienenstand und Hauptverein gesichert. Die rege wissenschaftliche und Lehrtätigkeit führte auf Beschluss des Vorstandes der Landwirtschaftskammer zur Gründung einer eigenständigen „Versuchs- und Lehranstalt für Bienenzucht der Landwirtschaftskammer für die Provinz Westfalen“ zum 1. April 1925. 1926 wurde an den Lehrbienenstand ein Hörsaal mit 40 Plätzen angebaut.
Ein Ministerialerlass vom 5. Februar 1926 brachte der Anstalt die amtliche Befugnis zur Durchführung von Krankheitsuntersuchungen und deren Nachuntersuchung innerhalb der Provinz Westfalen. Damit wurde Westfalen unabhängig von den Untersuchungen des Berliner Institutes für Bienenkunde und konnte bei Krankheitsauftreten wesentlich schneller agieren.
Aufbau und Zerstörung
1927 folgte Professor Dr. Koch einem Ruf an das neu gegründete „Landesinstitut für Bienenforschung und bienenwirtschaftliche Betriebslehre“ nach Celle. Als Nachfolger wurde der Schüler von Prof. Zander, Dr. Franz Becker, von der „Bayerischen Landesanstalt für Bienenzucht“, Erlangen, gewonnen.
Ein erster Leistungsprüfstand wurde1929/30 in Münster mit staatlicher Unterstützung an der Lehr- und Versuchsanstalt für Bienenzucht errichtet.
Die Auflösung der Landwirtschaftskammer im Jahre 1933 und die Überführung in den sog. „Reichsnährstand“ brachte für die fachliche Arbeit keine Veränderung; lediglich der Name wurde leicht umgestellt in „Lehr- und Versuchsanstalt für Bienenzucht“. 1940 übernahm Oberlandwirtschaftsrat Bernhard Schulze Everding die Leitung. Beim Bombenangriff vom 12. September 1944 wurde die Anstalt zusammen mit den übrigen landwirtschaftlichen Instituten an der Südstraße völlig zerstört und brannte aus.
Neubeginn und Nachkriegszeit
In den Jahren 1948-1952 waren die Landwirtschaftlichen Institute in der Münsteraner Überwasserschule notdürftig und sehr beengt untergebracht. Der volle Institutsbetrieb konnte erst wieder am 17. Juni 1952 mit dem Bezug des neu errichteten Institutskomplexes an der Von-Esmarch-Straße am Coesfelder Kreuz aufgenommen werden.
Die Landwirtschaftskammern in Nordrhein-Westfalen waren nach Auflösung des Reichsnährstandes erst wieder endgültig mit einem neuen Gesetz im Jahre 1949 entstanden. Als Aufgabe war ihnen zugewiesen worden, „die Landwirtschaft (dazu zählte ausdrücklich auch die Imkerei) und die in ihr Berufstätigen zu fördern und zu betreuen“. Während im Jahre 1949 noch die „Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung“ im Vordergrund stand, brachte die Gesetzesänderung von 1989 ausdrücklich auch den Auftrag, die „Umweltverträglichkeit bei der landwirtschaftlichen Erzeugung durch geeignete Einrichtungen und Maßnahmen zu fördern und auf eine flächenbezogene und artgerechte Tierhaltung hinzuwirken“.
Bienenschutz im Pflanzenschutz
1957 übernahm die Landwirtschaftskammer im Auftrag der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft die Aufgabe der Prüfung von Pflanzenschutzmitteln auf ihre mögliche Bienengefährlichkeit. Da dieses ein Teil der Prüfung auf die biologische Wirksamkeit der Pflanzenschutzmittel darstellte, für die das „Pflanzenschutzamt“ zuständig war, und es andrerseits auch häufig durch die hochwirksamen Kontaktinsektizide zu Bienenschädigungen kam, lag eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Prüfinstituten nahe. Das führte dann auch nach dem Ausscheiden von Schulze Everding im Februar 1967 dazu, dass die beiden Institute ab dem 1. März 1967 in Personalunion vom damaligen Leiter des Pflanzenschutzamtes, Herrn Professor Dr. Hermann Heddergott, geführt wurden. Sein Mitarbeiter Dr. Walter Springensguth wurde fachlich zuständiger Referent, da er seit Jahrzehnten erfolgreicher Imker war. Nach dessen Pensionierung im Jahre 1971 leitete Dr. Walter Pinsdorf die Bienenkunde fast 20 Jahre, seit dem 1.April 1972 im neu organisierten „Institut für Pflanzenschutz, Saatgutuntersuchung und Bienenkunde (IPSAB)“, das 1978 wie auch die anderen Landwirtschaftsinstitute in das moderne „Landwirtschaftswissenschaftliche Institutszentrum Nevinghoff“ umzog.
Das IPSAB wurde ab 1978 - 1984 von Dr. Hellmut Thiede und ab 1. Dezember 1984 von Dr. Theodor Kock bis zu dessen Ausscheiden Ende Juni 1999 geleitet.
Dr. Pinsdorf hatte seit 1970 bereits eine Methode zur Zucht von Marienkäfern und zur Prüfung von Pflanzenschutzmitteln auf ihre Nützlingsschädlichkeit entwickelt. Als das IPSAB die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln auf die Schädlichkeit gegen weitere Nützlinge (z.B. Laufkäfer, Regenwürmer, aber auch Hummeln) aufgrund des neuen Pflanzenschutzgesetzes von 1986 ausweiten wollte, wurde 1990 für die Planung des sog. Nützlingszentrums am Nevinghoff auch eine großzügige Neugestaltung der Labor- und Büroräume der Bienenkunde mitgeplant. Der Bezug dieser neuen Räumlichkeiten in unmittelbarer Nähe zu Bienenwerksatt und -haus sowie Bienen-Trachtpflanzen-Garten erfolgte ab dem Jahre 1991.
Das aufgrund des Chemikaliengesetzes von 1990 vorgeschriebene besondere Prüfverfahren für Pflanzenschutzmittel nach den „Grundsätzen der Guten Laborpraxis (GLP)“ wurde für Bienen- und Nützlingsprüfungen zum 1. August 1990 obligatorisch. Das IPSAB verfügte ab dem 1. November 1991 als erste deutsche Prüfstation für PSM auf Bienengefährlichkeit über die notwendige GLP-Struktur.
Auf dem Weg ins dritte Jahrtausend
Als Dr. Pinsdorf zum 30.November 1990 ausschied, wurde Dr. Werner Mühlen zum 1. März 1991 als Leiter der Bienenkunde beim IPSAB eingestellt. Als ausgebildeter Biologe mit bienenwissenschaftlicher Erfahrung (Diplomarbeit und Doktorarbeit befassten sich mit dem Lernverhalten der Honigbiene) plante er in Fortsetzung des bereits von Dr. Pinsdorf sehr intensivierten Lehr- und Ausbildungsprogramms eine überregionale Fortbildungsveranstaltung für Imker und alle anderen an der Bienenkunde Interessierten (Naturschützer, Biologen, Lehrer, Veterinäre), die jährlich im Januar stattfinden sollte. Um die Verbundenheit des Institutes in Münster mit den Imkerverbänden und Vereinen zu dokumentieren, wurde die Veranstaltung jeweils gemeinsam mit dem „Landesverband Westfälischer und Lippischer Imker e.V.“ und dem „Kreisimkerverein Münster e.V.“ abgestimmt und angekündigt. Die Veranstaltung erhielt den zugkräftigen und einprägsamen Namen: „Apisticus-Tag Münster“. („Apisticus“ ist eine Wortschöpfung von Wilhelm Busch für den Imker in seiner Bildergeschichte „Schnurrdiburr oder Die Bienen“.) Die guten wissenschaftlichen Kontakte zur Universität Münster brachten die Möglichkeit, das Schloss mit seiner repräsentativen Aula und die übrigen Nebenräume zu nutzen. 500-700 Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland reisen regelmäßig zu dieser Tagung an.
Die enge Zusammenarbeit mit der Universität Münster wurde im September 1993 durch einen Kooperationsvertrag zwischen der Landwirtschaftskammer und der Universität gefestigt. Ein erstes erfolgreiches, vom Naturschutz des Landes gefördertes Projekt war der Nachweis, dass die seit 1977 immer wieder behauptete angebliche Giftigkeit von Silber- und Krimlinden-Nektar für Honigbienen und Hummeln wissenschaftlich einwandfrei widerlegt werden konnte.
Zum 1. Januar 1999 brachte eine Umorganisation in der Landwirtschaftskammer die Auflösung des IPSAB: Die Saatgutuntersuchung wurde wieder wie vor 1922 der LUFA zugeordnet. Pflanzenschutzdienst und Bienenkunde verloren ihren Institutscharakter und wurden mit dem ehemaligen Landbau-Referat zum neuen Referat „Landbau und Pflanzenschutz“ zusammengelegt, in der das „Aufgabengebiet Bienenkunde“ weiterhin angesiedelt ist. Die Leitung dieses neuen Referates übernahm zum 1. Februar 1999 der bisherige Stellvertreter von Dr. Kock, Dr. Johann Frahm. Die Funktion des Leiters des „Pflanzenschutzdienstes Westfalen-Lippe“ innerhalb des Referates übernahm zum 1. Juli 1999 Dr. Ehler Meyer.
Aufgaben des Bieneninstitutes im Wandel der Zeiten
Das Aufgabenfeld der Institution Bienenkunde in Münster ist heute - mit Ausnahme der Pflanzenschutzmittelprüfung identisch mit dem von Koch 1925 im Januarheft der Westfälischen Bienenzeitung formulierten Katalog:
„Die Zoologische Abteilung für Bienenzucht hat folgende Aufgaben:
Ø Erforschung des Bienenlebens;
Ø Feststellung und Bekämpfung von Bienenkrankheiten;
Ø Zucht und Vertrieb hochwertiger Königinnen;
Ø Erprobung neuer Bienenwohnungen und bienenwirtschaftlicher Geräte;
Ø Untersuchung und Vermittlung des Bezuges von Bienennährpflanzen bzw. von Samen derselben;
Ø Prüfung von Honigsorten und Nachweis von Honigfälschungen;
Ø Schulung der westfälischen Imker in Lehrgängen und durch Vorträge;
Ø Beratung auf allen Gebieten der Bienenzucht.“
Bernhard Schulze Everding als Leiter der „Lehr und Versuchsanstalt für Bienenzucht“ der „vorläufigen Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe in Münster“ spezifizierte diese Aufgaben 1949 in der Westfälischen Bienen-Zeitung um wenige Positionen:
Ø Durchführung von Leistungsprüfungen;
Ø Ausbildung von Imkerlehrlingen in zweijähriger Lehrzeit mit abschließender Gehilfenprüfung und Praktikanten-Ausbildung;
Ø Gutachtertätigkeit in Streitfällen;
Ø Unterhaltung von Lehrsammlungen.
90 Jahre nach Gründung des Institutes hat sich auf dem Gebiet der Imkerei vieles gewandelt und doch sind die Grundprobleme und damit auch die zentralen Aufgaben eines Bieneninstitutes geblieben, ja sogar wichtiger denn je geworden. Bieneninstitute sichern die fachliche Beratung, Schulung und Betreuung der Imker, sie bilden ein bindendes Glied zwischen Praxis, Wissenschaft und Gesetzgebung. Sie können integrierend wirken, wenn es z.B. um die Fragen geht, ob Buckfast oder Carnica die bessere Biene ist und ob die konventionelle oder die ökologische Betriebsführung eher der Biene gerecht wird. Wichtig ist und bleibt die Unabhängigkeit der Institute und die sachlich geführte Diskussion zwischen den Interessensgruppen, damit es auch im dritten Jahrtausend genug engagierte Imker gibt, die Naturbelassenheit der imkerlichen Produkte unangetastet bleibt und die Imkerschaft sensibel bleibt für die Belange des Natur- und Umweltschutzes, wie es Mühlen (1999) in seinem Beitrag für die Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum des westfälisch-lippischen Landesverbandes formulierte. Abschließend möchte ich aber auch Schulze Everding (1949) noch einmal zu Wort kommen lassen, da ich seine Worte aus meiner fast 20-jährigen Erfahrung als Referent und später als Institutsleiter voll unterstreichen kann: „Die fruchtbare Förderungsarbeit auf dem Gebiet der Bienenzucht wäre nicht denkbar ohne die gute Zusammenarbeit mit dem Landesverband Westfälischer und Lippischer Imker, der in schweren Jahren mehr als einmal seine Hilfsbereitschaft unter Beweis gestellt hat.“