Laudatio für Dr. Eva Rademacher
Sehr geehrte Frau Dr. Rademacher,
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Imkerinnen und Imker!
Heute nun ehren wir Frau Dr. Eva Rademacher, Wissenschaftlerin im Institut für Biologie und Neurobiologie der Freien Universität Berlin. Wir verdanken ihr das wohl erste Buch zur Varroatose, welches sie zusammen mit Erika Geiseler 1984 veröffentlichte und welches heute noch die Grundsätze der Varroa-Kontrolle kennzeichnet.
Ihr imkerlicher Lebenslauf beginnt 1974 mit einer kleinen Imkerei, die zeitweise 20 Bienenvölker umfasste. Diplom und Doktorarbeit widmete sie dem Wabenbauverhalten der Honigbienen. Heute lehrt und forscht sie auf den Gebieten der Bienenbiologie und der Biologie der Varroa-Milbe. Großes Engagement entwickelte sie bei der Entwicklung von Medikamenten.
Warum nun verleihen wir ihr den „Apisticus des Jahres“?
1977 stellt eine dramatische Zäsur in der Imkerschaft Deutschlands dar. Die Varroamilbe wurde erstmals in Hessen nachgewiesen. Nichts war mehr wie früher. Imker waren gezwungen, ihre Völker jährlich zu behandeln, wollten sie nicht alles verlieren. Folbex VA Neu, eines der ersten Medikamente, sorgte für erste bedrohliche Rückstände in Honig und Wachs. Frühzeitig suchte man auch in der Imkerschaft nach Substanzen, die zu keinen Rückständen führten und für die Imker anwendbar, wirksam genug und auch bezahlbar waren.
In der Sorge um das Überleben ihrer Bienen und in der Sorge um die Naturbelassenheit des Honigs suchten Imker schon frühzeitig nach Methoden der Varroakontrolle, die zu keinen Rückständen führten, die aber wirksam genug waren, die Varroa in Schach zu halten. Imkern ohne Varroa gab es nicht mehr. Man musste lernen, mit der Milbe zu leben.
Das Ziel war nicht mehr, den Parasiten auszurotten, sondern den Befall unter einem Schwellenwert zu halten. Der Begriff der weichen Chemie wurde geprägt. Er umfasste alle organischen Säuren, vor allem die Ameisensäure, die von Anbeginn der Varroa-Bekämpfung diskutiert wurde. Aber auch Milchsäure und Oxalsäure weckten das Interesse der Imker.
All diese Substanzen waren nicht als Tierarzneimittel zugelassen und jene Imker, welche die sogenannte harte Chemie aus ihrer Imkerei verbannen und vorwiegend mit organischen Säuren behandeln wollten, standen mit einem Fuß im Gefängnis. Auch wenn die Rückstände als unproblematisch angesehen wurden und die Wirksamkeit gut genug war, durften die Substanzen laut Gesetz nicht eingesetzt werden. Es war aber auch kein Medikamentenhersteller bereit, die Zulassung dieser Säuren zu betreiben, weil es sich wirtschaftlich für ihn nie rechnen würde.
Der Gesetzgeber, der die Verbraucher vor den Auswirkungen der Verwendung nicht zugelassener, gesundheitsgefährdender Tierarzneien bewahren sollte, verhinderte, dass Honig naturbelassen und rückstandsfrei vermarktet werden konnte. Wer aber war bereit, ohne Aussicht auf Verdienst, Zeit und Geld zu investieren, Daten zu sammeln, die Anforderungen der Zulassung zusammenzustellen und sich immer und immer wieder für die Zulassung einzusetzen?
Es war zunächst und vor allem Frau Dr. Eva Rademacher. Sie betrieb das Zulassungsverfahren zunächst für Ameisensäure. Desinteresse, Bürokratie und vielfältige Widerstände stellten sich ihr in den Weg. Aber sie blieb beharrlich am Ball, rief sich bei den zulassenden Behörden immer wieder in Erinnerung und als schon alle es aufgegeben hatten, erreichte sie das Unmögliche. Ameisensäure in 60%iger Konzentration, in der Applikation über einen Vakuumverdunster, erhielt im Juli 2000 die Standardzulassung. Heute ist Ameisensäure von der Apothekenpflicht befreit, auch dies verdanken wir Frau Dr. Rademacher. Imker können in jedem Geschäft Ameisensäure in der geforderten Qualitätsstufe erwerben und in den Völkern einsetzen.
Nun schien der Damm gebrochen. Frau Dr. Rademacher hatte die Behörden sensibilisiert für die Belange und Sorgen der Imkerschaft. Sie hatte eine Tür aufgestoßen und Vertrauen erworben. Ihre Fachkompetenz, ihr beharrliches Vorgehen, ihre Zuverlässigkeit und ihr sorgsames Arbeiten ebneten den Weg. So wurde die Zulassung der Milchsäure zum Juni 2003 erreicht. Und dieses Jahr nun erreicht uns die Botschaft, dass mit Schreiben vom 23.12.05 das Bundesministerium für Gesundheit aufgrund der bevorstehenden Zulassung von Oxalsäure in der Träufelmethode die Duldung der Anwendung verfügt hat.
Ein letzter Meilenstein, der den Weg von Frau Dr. Rademacher kennzeichnet, aber auch ein besonderer Meilenstein, denn zur Zulassung der Oxalsäure mussten zunächst fehlende Daten zur zulässigen Höchstmenge dieser Substanz in Lebensmitteln auf europäischer Ebene erstellt werden. Der sogenannte MRL-Wert musste bestimmt werden. Hierzu war Geld nötig, viel Geld. Und so sammelte Frau Dr. Rademacher in allen europäischen Ländern Gelder von Behörden und Organisationen, um diese Untersuchungen finanzieren zu können. Nicht unerheblich hat auch der Deutsche Imkerbund finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Im Dezember 2003 waren durch Frau Dr. Rademacher schließlich alle erforderlichen Daten gesammelt. Im Sommer 2005 befürworteten nun die zuständigen Behörden die Standardzulassung der Oxalsäure.
30 Jahre ist es her, dass die ersten Varroamilben unsere Honigbienen zu parasitieren begannen. Heute nun ist es mir als Vorstandsmitglied des Deutschen Imkerbundes eine ganz besondere Ehre, Ihnen Frau Dr. Rademacher, hierfür im Namen der deutschen Imkerschaft für dieses Engagement zu danken und Ihnen diese Ehrung zuteil werden zu lassen.
Münster, den 4. Februar 2006
Peter Maske
Vorstandsmitglied im Deutschen Imkerbund