Silke Beckedorf
Chefredakteurin Deutsches Bienenjournal, Berlin
Wir bauen auf Honig – Imker für Imker in Äthiopien

Spricht man von Äthiopien, denken die meisten an Dürrekatastrophen und Kinder mit Hungerbäuchen. Die wenigsten wissen, dass Äthiopien in mancher Hinsicht auch reich ist: Mit geschätzten fünf bis zehn Millionen Bienenvölkern und gelben Blütenteppichen, die nach dem Ende der Regenzeit weite Teile des Landes überziehen, beherbergt das Land mit der uralten Christenkultur auch große Schätze.

In nach Wohlstand sortierten Länderrankings landet Äthiopien stets unter den letzten fünfzehn. Das Auswärtige Amt bezifferte das durchschnittliche Einkommen im Jahr 2012 auf etwa 370 US-Dollar pro Kopf. Gerade in den ländlichen Gebieten ist die Alphabetisierungsrate niedrig, der Zugang zu Ärzten und sauberem Wasser begrenzt. In den Städten gibt es große Slums. Die meisten Menschen leben von der Landwirtschaft oder einfacher Arbeit. Doch selbst für Akademiker ist der Zugang zu Jobs nach Abschluss der Universität längst nicht immer gesichert, weshalb viele versuchen, das Land zu verlassen und damit „die Bildung aus dem Land tragen“.   

Die Bedingungen für Imkerei sind perfekt. Schon heute hat das Land einen der größten Bienenbestände Afrikas und produziert mit geschätzten 53.000 Tonnen pro Jahr große Mengen Honig (zum Vergleich: Die Honigproduktion Deutschlands betrug im Jahr 2010 21.000 Tonnen). Honig ist wertvoll und erzielt auf den Märkten gute Preise. Exportiert wird bislang nur wenig, obwohl Äthiopien seit einigen Jahren als exportberechtigtes Drittland für die EU gelistet ist. Der größte Teil der Ernte wird zum Nationalgetränk des Landes verarbeitet: Honigwein, oder, auf der Amtssprache Amharisch, Tej. 75 bis 85 % der Honigernte gehen in die Tejproduktion.

Die meisten Imker halten die Bienenvölker in traditionellen Beuten, aus Bambus oder Schilf geflochtenen Röhren, die in Bäume gehängt werden und in die dann wilde Bienenvölker einziehen. Bei der Honigernte werden die Waben aus der Röhre gebrochen. Das Volk wird dabei in aller Regel zerstört. Eine weitere Form ist die Bienenhaltung in Oberträgerbeuten, sogenannten Top Bar Hives. Einige Imker besitzen zusätzlich noch Magazine. Oft werden verschiedene Formen der Bienenhaltung kreativ miteinander verknüpft: So kann man in den traditionellen Beuten gut Schwärme fangen und diese dann in moderne Beuten umsiedeln.

Die Idee zu der Initiative, Jungimkerinnen zu fördern, entstand auf einer Leserreise des Deutschen Bienen-Journals im Herbst 2012. Damals besichtigten wir Projekte, die Erfolg versprechende Ansätze verfolgten und trafen Imker, die dabei waren, sich eine Existenz aufzubauen.

Im Juli 2013 stellten wir die Idee im Deutschen Bienen-Journal vor: Fünf junge Frauen, die kurz davor standen, ihr Studium an der Adama-Universität südlich von Addis Abeba abzuschließen, hatten dort einen dreiwöchigen Praxiskurs zur Bienenhaltung durchlaufen und interessierten sich dafür, nach Abschluss des Studiums Imkerinnen zu werden. Wir forderten unsere Leser auf, Patenschaften für die fünf jungen Frauen zu übernehmen und damit eine Grundausstattung mit Imkerausrüstung zu finanzieren, die den Gegenwert von 200 Euro besaß. Im Gegenzug verpflichteten sich die Imkerinnen, in den Ethiopian Apicultural Board einzutreten und sich örtlichen Imkergruppen in ihren Heimatstädten anzuschließen, in die sie nach Abschluss der Uni zurückkehren wollten.

Die Resonanz auf den Beitrag war sehr gut. Wir erhielten auf Anhieb um die 50 Anfragen von Lesern, die eine Imkerin fördern, Jungimkerinnen Praktikumsplätze anbieten, bei der Übersetzung von Briefen helfen, Geld spenden oder sich anderweitig an der Idee beteiligen wollten. Nachdem sich unser Projekt unter den Imkerinnen des Kurses an der Adama-Universität herumgesprochen hatte, meldeten sich noch vier weitere Jungimkerinnen sowie Ato Abate, ein junger Mann, der an der Universität arbeitete und selbst gern Bienen halten wollte.

Für diese neun Jungimkerinnen und den Imker wählten wir zehn deutsche Imker aus und schlugen Ihnen die Patenschaften vor. Dafür tauschten wir noch einige E-Mails mit den Äthiopierinnen aus, um mehr über deren Lebensläufe und Motivation zu erfahren und entwickelten daraus kleine Portraits, die wir den potenziellen Förderern mitschickten. Fast alle sagten sofort zu, überwiesen das Geld und warteten gespannt ab.

So lief das erste Jahr: Das Geld wurde im Sommer nach Äthiopien transferiert. Dort wurden davon je eine Magazinbeute, Rähmchen, Smoker, Schutzkleidung und andere Ausrüstung sowie jeweils ein Bienenvolk für die Jungimkerinnen und Ato Abate angeschafft. Die Gerätschaften wurden an die Jungimker verteilt. Das liest sich einfacher als es ist. Vier der jungen Frauen wohnen in der Hauptstadt Addis Abeba. Drei von ihnen hatten sich dort zu einer kleinen Imkergruppe zusammengeschlossen und stellten ihre Völker auf das Gelände einer bereits bestehenden Kooperative. Eine weitere plante, am Stadtrand auf dem Grundstück ihrer Tante zu imkern. Zu diesen Imkerinnen brachte Dr. Greiling das Material mit seinem Auto; denn ein eigenes Kfz hat der Ethiopian Apicultural Board nicht – eine erhebliche Einschränkung. Zu den anderen Zielen organisierten die Betreuer in Addis daher einen Wagen mit Allrandantrieb von einer Hilfsorganisation, mit dem sie die Beuten ins 550 km entfernte Bahir Dar brachten; der Stadt am Tanasee, wo der Blaue Nil entspringt. Aus der Region stammen fünf der Jungimkerinnen. Drei von ihnen schlossen sich in Bahir Dar zu einer Kooperative zusammen und schafften es mit Unterstützung des Ethiopian Apicultural Boards, von der Stadtverwaltung ein kleines Stück Land zu bekommen, auf dem sie ihre Völker unterbringen konnten. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) steuerte Geld für ein kleines Häuschen bei, in dem die jungen Frauen die Honigverarbeitung etablieren können und stellte sogar noch einen Wachschutz. Ato Abate, der „Quotenmann“, erhielt seine Bienen schließlich mit einem Unibus, der aus Addis Abeba zur Universität zurückkehrte.

Zwischenzeitlich warteten die Förderer in Deutschland auf Nachricht aus Ostafrika. Wir hatten für den ersten Jahrgang solche Imker ausgewählt, die Englisch sprechen und einen E-Mail-Zugang besitzen, da uns das Weiterleiten und Übersetzen von Briefen vorerst zu viel Aufwand bedeutete. Ende des Jahres kam die erste Kommunikation in Schwung. Elsa aus Addis meldete sich hochmotiviert bei ihrem deutschen Paten. Dort hat sich ein reger E-Mail-Austausch entwickelt. Auch andere erhielten Nachricht von den Jungimkerinnen aus Äthiopien, die über ihre ersten Schritte informierten und auch neugierig auf die Arbeitsweisen im fernen Deutschland waren.

Im November 2013 gründete sich in Berlin der Förderverein „Imker für Imker in Äthiopien“, der die Arbeit mit den Jungimkerinnen flankieren möchte und ein Konzept erarbeitet, wie man das Projekt dauerhaft stützen kann. Mit dem Bereitstellen von Beute und Bienen ist es selbstverständlich nicht getan: Die Jungimkerinnen brauchen weiterhin Begleitung, wenn sie ihre kleinen Honigunternehmen ausbauen möchten.

Zurzeit wird der nächste Jahrgang Jungimkerinnen an der Adama Universität ausgebildet. In diesem Kurs ist ein ganzer Tag für das Patenschaftsprojekt reserviert. Die Jungimkerinnen können sich um die Aufnahme in das Programm bewerben und absolvieren einen kleinen Test. Als junge Akademikerinnen sind sie gut in der Lage, die nächsten Schritte zu machen, als sogenannte Multipikatorinnen aufzutreten, mit den Paten zu kommunizieren und ihr Wissen an andere weiterzugeben.

Unsere Erfahrung aus dem ersten Jahr: Natürlich gibt es noch viel zu lernen; und nicht jede Patenschaft wird in einem florierenden Imkerbetrieb münden. Aber der Ansatz funktioniert.

Weitere Infos: www.bienenjournal.de

aethiopien(at)bauernverlag.d