Laudatio für Imkermeister Thomas Radetzki

Thomas Radetzki

Sehr geehrter Herr Radetzki,
Herr Präsident Frizen,
meine Damen und Herren, liebe Imkerinnen und Imker und Gäste aus Nah und Fern!


Die Ausrichter des Apisticus-Tages in Münster, dies sind die Landwirtschaftskammer NRW, der Landesverband Westfälischer und Lippischer Imker, der örtliche Kreisimkerverein in Münster und Apis e.V., der Förderverein der Bienenkunde der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, haben im Jahr 2006 einen Ehrenpreis ins Leben gerufen, der laut selbst auferlegter Vergaberichtlinien unter anderem nur für besondere Verdienste um Imkerei und Bienenkunde vergeben werden darf. Zwei unabhängige Kommissionen wählen aus den Vorschlägen, die aus der Imkerschaft und der Bevölkerung vorgelegt werden, eine Person aus, die ihnen würdig erscheint.
Die erste Preisträgerin war Dr. Eva Rademacher. Sie wurde für ihre Bemühungen bei der Standardzulassung der organischen Säuren zur Bekämpfung der Varroose ausgezeichnet. Eine würdige Wahl der damaligen Kommission, die aber auch die Messlatte für die folgenden Preisträger sehr hoch legte.
Weitere Preisträger waren im Jahr 2007 Utto Baumgartner vom Netzwerk Blühende Landschaft für seinen Einsatz bei der Schaffung und dem Erhalt blühender Landschaften.
2008 erhielt das Ehepaar Herb aus Weimar den Apisticus des Jahres. Sie hatten sich nach der Wiedervereinigung sehr für den Erhalt des Deutschen Bienenmuseums in Weimar eingesetzt.
Der vierte Preisträger nun war Ministerialrat Dr. Friedhelm Jaeger, vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen für sein Engagement bei der Novellierung der Verwaltungsvorschriften zur Faulbrutbekämpfung und der Neugestaltung der Tierseuchenkasse in Nordrhein-Westfalen.
Für ihr beispielhaftes, bürgerschaftliches Engagement, die Diskussion um Gentechnik selbstlos und nur der Sache allein verpflichtet von der emotionalen auf die fachliche Ebene zu heben, erhielt das Ehepaar Ulrike und Gregor Rohlmann aus Lüdenscheid den Apisticus des Jahres 2010.
Dieses Jahr nun folgte die Apisticus-Kommission dem Vorschlag von Minika und Andy Buddenkotte aus Warendorf und wählte Imkermeister Thomas Radetzki der Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle aus.
Schaut man sich den Lebensweg von Thomas Radetzki an, so scheint ihm die Bienenhaltung nicht in die Wiege gelegt zu sein, oder doch?
1955 in Hamburg geboren wuchs er später im Ruhrgebiet auf, wo er auch sein Abitur an einem naturwissenschaftlich ausgerichteten Gymnasium absolvierte. Honigbienen hatten bis zu diesem Zeitpunkt keine Bedeutung in seinem Leben. Er selber sagt, dass, " es in seinem Elternhaus keinen Honig gab" und "dass er Bienen nicht von Wespen unterscheiden konnte." Der Besuch bei einem Imker in der Eifel noch als Oberschüler brachte die Wende. Zwei Stunden lauschte Thomas Radetzki auf einem Bänkchen vor dem Bienenstand den Geschichten eines Imkers und löcherte ihn mit Fragen. Danach war alles klar und er beschloss: "Ich werde Imker!"
Es folgte ein Praktikum im Bieneninstitut Mayen und die ersten eigenen Bienenvölker. Wissensdurst und Lernbereitschaft vergrößerten sein Wissen und seine Imkerei gleichermaßen.
Von nun an begleiteten ihn die Bienen auf seinem Lebensweg und wurden immer mehr Zentrum seiner Tätigkeit und Ausrichtung. Thomas Radetzki nennt es selbst "Pionierstationen" seines Lebens als er in Lebens- und Arbeitsgemeinschaften von Obdachlosen und Strafentlassenen am Niederrhein arbeitete oder die Ausbildung zum Werkstattleiter für Behindertenwerkstätten absolvierte. Die Arbeit mit Behinderten in der Nähe von Würzburg gab ihm schließlich die Möglichkeit, in der Landwirtschaft zu arbeiten und auf dem Demeterhof eine Bienenhaltung zu etablieren.
Die Verbindung seines sozialen Engagements mit der Liebe zur Bienenhaltung wurde noch gekrönt durch ein dreisemestriges Studium in einem Priesterseminar.
Mit dreißig Jahren wechselte Thomas Radetzki endlich zur Fischermühle und zog ins Schwabenland nach Rosenfeld. Dort wirkt und arbeitet er seitdem und widmet sein Leben ausschließlich der Honigbiene.
Er absolvierte die Imkermeisterprüfung und ist derzeit Mitglied der Prüfungskommission. Er baute einen Bienenwirtschaftsbetrieb mit 150 Völkern auf und war maßgeblich an der Entwicklung der Demeter-Richtlinien zur wesensgemäßen Bienenhaltung beteiligt.
Lehre und Versuchswesen mit Ausrichtung auf ökologische und besonders auf die wesensgemäße Bienenhaltung prägten seither seinen Lebensweg.
Der Name Thomas Radetzki wird immer wieder genannt, wenn es um besondere, originelle und wegweisende Initiativen im Bereich der ökologischen Bienenhaltung und der Naturschutzarbeit für und mit den Bienen handelt. So hat er sich sehr für den Erhalt und die Pflege der geografischen Bienenrasse "Mellifera" eingesetzt, die ursprünglich in unseren Breiten heimisch war. Dem Verein Mellifera e.V. steht er als geschäftsführender Vorstand vor. "BeeGood" und "Bienenstockkäferkampagne" sind mit seinem Namen verbunden, das "Netzwerk Blühende Landschaft" und das "Bündnis der Bienen zum Schutz vor Agro-Gentechnik" wurden ebenfalls von ihm initiiert. Er ist Herausgeber der Zeitschrift "Biene-Mensch-Natur".
Thomas Radetzki organisiert Tagungen und Schulungen rund um die wesensgemäße Bienenhaltung und ist hier sehr erfolgreich. Sein Name ist wie kein anderer mit den Aktivitäten der ökologischen Bienenhaltung in unserem Land verbunden. Aber, um ihm gerecht zu werden, muss man von "wesensgemäßer Bienenhaltung" sprechen und hier liegt auch der Hauptgrund für seine Nominierung für den Apisticus des Jahres 2011.
Mein Damen und Herren,
Bienenhaltung in Deutschland sähe anders aus, gäbe es die wegweisenden Gedanken eines Thomas Radetzki nicht. Alle Welt spricht vom Bienensterben, weltweit wird der Rückgang der Bienenhaltung, wird das Sterben der Bienenvölker, wird der Verlust an Vitalität und Widerstandskraft unserer Bienen thematisiert. Die Lebensbedingungen der Bienen in unseren Lebensräumen werden immer schlechter. Der Mensch betreibt Raubbau an der Natur und die Bienen als unbestechliche Bioindikatoren weisen auf diesen Missstand hin und führen uns vor Augen, wo Mensch und Natur gegeneinander arbeiten.
Man kann den wichtigsten Bestäuber unserer Wildflora nicht zum Stalltier degradieren und den Honigertrag ins unermessliche steigern wollen. Man kann Bienenhaltung nicht dem Profit und ungerichteten Fortschritt unterordnen. Man kann Bienenvölker nicht durch die halbe Welt transportieren ungeachtet ihrer Einbindung in bestimmte Lebensräume. Man kann sie nicht mit Medikamenten zu willfährigen Honiglieferanten degradieren.
Man muss sich nicht wundern, wenn Umweltgifte, wenn Landschaftsverlust, Verstädterung und Industrialisierung, wenn Versiegelung und Monotonisierung der Natur sich auch negativ auf die Vitalität und Widerstandskraft unserer Bienen auswirken.
Wir Menschen haben eine ganz besondere Beziehung zur Honigbiene, zu "Apis", dem Stier der Lüfte, der schon in der griechischen Mythologie dem Leben des Menschen einen Sinn gab und als Gottheit verehrt wurde. Die Honigbiene steht für die einfache und annehmende Liebe zur Natur und mahnt zu Demut und Bescheidenheit.
Thomas Radetzki macht sich in einer sehr sanften aber bestimmten und nicht aggressiven Weise zu einem Fürsprecher dieser Sicht, von mehr Natur und weniger Mensch in unserer Welt.
Er lehrt seine Imker hinzuschauen und die Biologie der Bienen zu sehen und ihr folgend Bienenvölker zu halten, zu pflegen, zu züchten und Honig zu ernten, dem Wesen der Biene, dem Wesen der Natur entsprechend, einfach wesensgemäß ohne Dogmatik, ohne Zeigefinger, ohne Feindbildprojektionen.
Aufgrund dieser friedvollen Auseinandersetzung mit den realen Strukturen ist es Thomas Radetzki zu verdanken, dass sich die Imkerei in Deutschland, nicht nur für die ökologisch ausgerichteten Imker, sondern auch für alle anderen Imkereien, an den Belangen des Bienenvolkes und an einer tiergerechten Haltung orientiert. Ihm und seinen Mitstreitern ist es auch zu verdanken, dass jungen und vor allem ökologisch ausgerichteten Menschen die Imkerei nahe gebracht werden konnte. Seine umfangreichen und modern ausgelegten Schulungs- und Fortbildungsaktivitäten gehen weit über das normale Maß hinaus. Kreativ, phantasievoll und unkonventionell geht er auf interessierte Gruppen zu und gewinnt "Jungimker" jeglichen Alters für die Sache der naturnahen, bienengerechten, ja wesensgemäßen Imkerei.
Thomas Radetzki ist kein Öko im üblichen Sinne. Mit viel Motivation, Engagement und spirituellem Hintergrund versteht er es, in seinen Vorträgen seriös und fachkundig aufzutreten und die Zuhörer aus der Imkerschaft an ihrem Interesse für das Tier Honigbiene und dem Produkt Honig zu fesseln und zu überzeugen.
Diesen Gedanken folgend werden wir zukünftig in unserem Land kein Bienensterben und kein Imkersterben beklagen und jeden Morgen ein Glas mit hochwertigem, naturbelassenen Honigs zum Frühstück genießen können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ...

 

Münster, den 12. Februar 2011
 

Dr. Werner Mühlen
Referent für Bienenkunde der Landwirtschaftskammer
Nordrhein-Westfalen in Münster.